Eindrückliches Tagebuch eines Nienstädter der im täglichen Kontakt mit seiner in der Ukrainischen Stadt Sumy lebenden Ehefrau steht

01. April 2022

Meine Frau wusste, dass ich sie als Quelle nehme, um meinem Ortsverein über die Lage in Sumy zu informieren. Jetzt hat sie – mittels Übersetzung – den Beitrag auf dieser Seite gelesen:

(00:00 Uhr) „Ich habe gesehen, Kätzchen, du hast sogar über meine Mama geschrieben.“

Ich sagte, dass ich versuche, ihre Gefühle zu schützen, wenn ich berichte.

„Du darfst alles schreiben. Ich halte es für angemessen.“

(00:03 Uhr)

„Ich fühle mich furchtbar, weil meine Mutter so eine schlimme Diagnose hat und ich nicht weiß, wie sie behandelt wird und wie lange sie noch leben wird. Und ich kann nicht einmal hinfahren, um sie zu sehen.

Nun, dort gibt es auch Probleme mit Medikamenten.

Weil auch die blockiert werden.“

(Das ist in der Stadt Luhansk.)

„Alles zusammen ist das gewaltiger Stress. Ich versuche immer mit allen mir Nahestehenden über Positives zu sprechen, um ebenfalls alle zu unterstützen, aber ich habe schon so oft geweint in der ganzen Zeit und ich spüre, dass es mir schwerfällt, meine Gefühle zu kontrollieren, weil ich vor kurzem einkaufen ging und einfach auf der Straße in Tränen ausbrechen musste bei all den Eindrücken.“

(Ich habe mich an dieser Stelle entschieden, sie beschreiben zu lassen, was wir schon so oft von allen Flüchtlingen gehört und gesehen haben. So geht es auch denen, die an der Front sind. Ohne Unterschied, ob sie kämpfen oder nur versuchen zu überleben. Auch die, die nur versuchen zu überleben, widmen ihre Gebete den tapferen Kämpfern für eine freie, demokratische und unabhängige Ukraine. Unter Berichten ukrainischer Medien über Kämpfe habe ich in den Kommentaren bei mehr als der Hälfte nur Gebete für die tapferen Soldaten der Ukraine gelesen. Und gerade wir Sozialdemokraten sollten erkennen, was sie so teuer verteidigen. An dieser Stelle werde ich politisch.)

Meine Frau sagte dann selbst noch zu ihrer Sorge um die Mutter:

(00:16 Uhr) „Solche Geschichten gibt es sehr viele. Und alle sind sie entsetzlich.“

(21:04 Uhr) „Kätzchen

Ya normalno.“ (Ich bin in Ordnung.)

„Entschuldige, ich habe geschlafen. Ich erinnere mich nicht, ob ich es schon erzählt habe:

Wir dürfen abends absolut kein Licht anmachen. Die Fenster müssen verhängt werden, damit kein Licht nach außen dringt. Heute regnet es übrigens. Außer dem Telefon benutze ich abends nichts, damit alles so dunkel wie möglich bleibt.

Nun, natürlich ist das ungewohnt. Wie Maulwürfe im Dunkeln.

Nun, bei Alarm muss ausnahmslos alles ausgestellt werden. Übrigens, heute gab es keinen Alarm. Nun, noch ist es freilich nicht Nacht. Gewöhnlich kommen sie nach 23 Uhr. Aber tagsüber passiert das auch oft.“

(21:13 Uhr)

„Gemüse und Früchte sind alptraumhaft teuer geworden. Eier gibt es nicht, aber ich denke vor Ostern kann das normal sein. Nun, das Wichtigste ist, dass es überhaupt Lebensmittel gibt.

Es heißt, dass man die Eisenbahnverbindung entminen will. Das wäre wirklich schön.